GL1100DX von 1982 GL1100-Triebwerk jetzt mit 83 PS
Zweifellos hatte Mr. Soichiro Honda mit der GL 1000 Gold Wing wieder einmal einen Meilenstein in der Motorradgeschichte gesetzt. Dieser Meilenstein war allerdings nicht makellos. Durch die Unfälle und die damit verbundenen Gerichtsverfahren war das Motorrad mächtig in Verruf gekommen. Kein Mensch sprach mehr vom sportlichen Supertourer, die Honda- Leute am allerwenigsten. Und so wurde 1980 aus der "agilen" GL 1000 der Luxus-Tourer GL 1100 Gold Wing. Für die deutsche Motorradkundschaft hatte man den Tourer als "Softchopper" oder, wie man inzwischen sagen würde, als "Naked-Bike" konzipiert. Eine Maschine ohne Kunststoffverkleidung und sonstigem Tourenzubehör. Der Motor war im Großen und Ganzen der alte Bekannte aus der GL 1000. Für den Einsatz im neuen Flaggschiff wurde er aber gründlich überarbeitet. Durch die Vergrößerung der Zylinderbohrung von 72 auf 75 mm ergab sich ein Hubraum von exakt 1085 ccm. Geänderte Steuerzeiten, eine kontaktlose elektronische CDI-Zündanlage, neue Keihin-Gleichdruckvergaser mit 30 mm Querschnitt steigerten die Motorleistung auf 83 PS bei 7500/min und verbesserten das maximale Drehmoment auf 9,2 mkp bei 5500/min. Im gleichen Aufwasch verstärkte man Kupplung, Getriebe und Kardanantrieb. Mit dieser Kur hatte man nicht nur die Standfestigkeit des Triebwerkes verbessert, der Motor verfügte nun über einen noch besseren Durchzug. Auch das Fahrwerk wurde hinsichtlich des Leistungszuwachses überarbeitet und die Rahmengeometrie gleich mit geändert. Der Radstand betrug anstatt 1560 mm nun 1605 mm, den Nachlauf hatte man von 120 mm auf 135 mm verlängert. Für bessere Fahrstabilität sorgten darüber hinaus Felgen aus der neuen ComStar-Generation, bei denen die Leichtmetallspeichen mit den Schnittkanten nach außen zeigten. Auf die Laufräder waren Niederquerschnittsreifen von Dunlop montiert, vorne ein 110/90 H 19 Pneu und hinten eine 130/90 H 17 Gummiwalze.
Für Fahrkomfort sorgten die Luft unterstützte Telegabel und die ebenfalls luftunterstützten Federbeine. Individuell ließen sich die Federelemente auf die Bedürfnisse der Passagiere abstimmen. Nachdem die Gold Wing nun ganz klar als Touren-Motorrad verkauft wurde, regte sich niemand mehr über zuwenig Schräglagenfreiheit oder das hohe Gewicht auf. Ein Tester charakterisierte es wie folgt: "Gemütlich durch die Lande streifen, genügend Reserve fürs Überholen - dafür ist die Gold Wing richtig. Wer heizen will, darf sie nicht kaufen. Aus einem Omnibus lässt sich nun mal kein Formel 1-Rennwagen machen."
Knieschleifer und Rennfans kauften und interessierten sich sowieso nicht für das Dickschiff. Wer sich eine GL 1100 anschaffte, wusste im Prinzip, auf was er sich einließ. Die Fangemeinde wurde immer größer, und es sollte nicht mehr lange dauern, und die Gold Wing hatte einen ähnlichen Kultstatus eingenommen, wie man es nur von den Maschinen der amerikanischen Traditionsmarke Harley-Davidson kannte. Im Laufe der Jahre entwickelte sie eine regelrechte GL-Szene. Bald gab es unendlich viel Zubehör, Sinnvolles wie Gimmicks. Das erste Marken gebundene Gold Wing-Treffen fand im Sommer 1978 statt, drei Jahre später formierte sich aus dem "Freundeskreis der Gold Wing Fahrer" der Gold Wing Club Deutschland e.V. (GWCD). Es wird eine eigene Club-Zeitung herausgegeben, und rund 1200 Leute sind heute im GWCD Mitglied. Das sind immerhin etwa 15 Prozent aller deutschen Gold Wing-Fahrer. Darüber hinaus gibt es regionale Gold Wing-Stammtische und natürlich die GL-Clubs in den Nachbarländern, die sich in der Gold Wing European Federation (GWEF) organisiert haben.
Dennoch waren Anfang der achtziger Jahre die Gold Wing Fahrer hierzulande mit der neuen GL 1100 unzufrieden. Was ihnen fehlte, waren Verkleidung, Packtaschen und Topcase - eine Tourenausstattung, die bei der GL1100 Gold Wing "Interstate" in den USA zum Standard gehörte. Kein Wunder, der Luxusliner wurde mittlerweile in der Hondafabrik in Marysville im US-Staat Ohio produziert. Für das japanische Unternehmen war der US-Markt sehr wichtig, auch wollte man die Gold Wing genau für die Bedürfnisse der amerikanischen Biker bauen. Und so wurde sie im Laufe der nächsten Jahre zu einem "Luxus-Appartement auf zwei Rädern", zu einem Motorrad, das eigentlich noch viel zu jung ist, um in einem Oldtimer Markt Artikel gewürdigt zu werden. Doch um das Kapitel hier nicht einfach abzuschneiden, wollen wir noch einen Blick auf die weiteren Modelle werfen. Bereits 1981 wagte es Honda, die Gold Wing auch in Deutschland, nun als GL1100DB mit einer Vollverkleidung anzubieten. Mit flacher Verkleidungsscheibe versteht sich, da der TÜV das hohe Plexiglas nicht freigeben wollte. Auch gegen die Koffer und das Topcase hatten die Sachverständigen vom technischen Prüfverein etwas. Wem das US-Modell jedoch besser gefiel, brauchte nicht in die Röhre gucken. Inzwischen hatten sich einige Grau-Händler auf den Import der "Interstate" spezialisiert, und so kam es, dass man bald immer mehr Gold Wings mit original Verkleidung, Seitenkoffern und dem geräumigen Topcase über deutsche Highways gleiten sah. Und wer es bis dato immer noch nichts gemerkt hatte, dem fiel es schließlich im Herbst 1981 wie Schuppen von den Augen. Nämlich da, als Honda die GL1100 "Aspencade" präsentierte. Der erste japanische Supersport-Tourer mit Wasser gekühltem Vierzylinder-Motor und Kardanantrieb von Anno 1974 hatte sich zum luxuriösen, amerikanischen Straßenkreuzer entwickelt. Die "Aspencade" war mit Technik und Zubehör nur so vollgestopft. Serienmäßig gab es Bordkompressor, Radio/Kassettenrecorder, CB-Funk und selbstverständlich den Schminkspiegel im Topcase. Was dem 317 kg schweren Reisedampfer allerdings jetzt noch fehlte, war der Rückwärtsgang. Doch den sollte es auch bald geben.
Bis es allerdings soweit war, wurde die GL1100 für das Modelljahr 1983 noch einmal mächtig aufgemöbelt - für die US-Ausführung versteht sich. Bei uns mußten sich die GL-Kunden weiterhin mit der Sparversion Interstate abfinden. Die "Aspencade" wurde für die echten Gold Wing-Fans aber zum Muss. Sie verfügte nun über ein Integralbremssystem mit innenbelüfteten Bremsscheiben, Guss-Felgen, Gabelstabilisator, einer Telegabel mit dem Anti-Dive-System TRAC (Torque Reactive Anti-Dive Control) und anstelle der konventionellen Instrumente zeigte ein digitales Informationsbord, das sogenannte "Mäusekino", im Cockpit dem Fahrer an, was Sache ist. Bei uns machten wieder die Grau-Händler das dicke Geschäft mit dem Highway-Cruiser.